Digitalisierter Juckreiz


Das Institut für Medizinische Informatik hat eine Datenbank
entwickelt, mit der Patientendaten weltweit vergleichbar werden.
Pilotprojekt ist der noch wenig erforschte chronische Juckreiz. Bereits
6.500 Datensätze liegen in Münster vor.
Chronischer Juckreiz –
über Tage, über Wochen, teils über Jahre. Für Patienten ist der
sogenannte Pruritus oftmals zermürbend, in Deutschland ist fast jeder
sechste Erwachsene betroffen. Zwar gibt es neben dem Kompetenzzentrum
für chronischen Pruritus (KCP) am UKM (Universitätsklinikum Münster),
das 2008 das erste seiner Art war, mittlerweile einige wenige weitere
Anlaufstellen in Deutschland. Dennoch ist die Datenmenge begrenzt, in
der Folge sind Diagnostik und Therapie erschwert. „Die Problematik
beginnt bereits bei der Erfassung der Daten“, weiß Zentrumsleiterin
Prof. Dr. Dr. Sonja Ständer. „Wenn die Merkmale nicht einheitlich
dokumentiert werden, ist keine Vergleichbarkeit gegeben, was bei einem
wenig erforschten Krankheitssymptom wie dem Juckreiz Studien mit
größeren Datensätzen nahezu unmöglich macht.“
Doch mittlerweile
liegen erstmals mehr als 6.500 Datensätze von betroffenen Patienten vor –
dank des Instituts für Medizinische Informatik der Medizinischen
Fakultät Münster. „Nachdem von den Experten einheitliche Parameter für
die Erfassung von Pruritus festgelegt wurden, haben wir eine
mehrsprachige Patienten-App entwickelt, mit der wir Daten
Standort-unabhängig nach einem festgelegten Raster erfassen“, erklärt
Institutsdirektor Prof. Dr. Martin Dugas. Für Patienten bedeutet das: Im
Wartezimmer erhalten sie ein Tablet und beantworten standardisierte
Fragen zur Entstehung und zum Verlauf ihrer Erkrankung. Die Ergebnisse
fließen direkt in eine Datenbank ein, eine händische Übertragung, wie
sie oftmals bei Studien noch üblich ist, entfällt. So ist eine
schnellere Verarbeitung der Daten garantiert. „Die Software wird nicht
nur in Münster, sondern auch in einem weiteren Projekt eingesetzt, in
dem Datensätze von dermatologischen Universitäten aus zehn Ländern
gesammelt werden“, so Dugas.
Das erklärte Ziel der Experten aus
Münster: die Etablierung des Messinstruments in Europa. „Wir schaffen
damit eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit von Daten
über Pruritus und gewinnen durch die Analyse großer Datensätze ein
tieferes Verständnis des Krankheitsverlaufs, der Häufigkeit von Ursachen
und Therapieansprechen. Damit können wir den Forschungsprozess in
dieser Disziplin beschleunigen und die Patientenversorgung zeitnah
weiter verbessern“, sagt Ständer, die mit ihrem Team bereits in den
vergangenen Jahren die Forschung in diesem Bereich stark vorantreiben
konnte. So sind zum Beispiel Erkenntnisse, dass bei Männern die
Erkrankung später ausbricht als bei Frauen, sie überwiegend an anderen,
den Pruritus auslösenden Erkrankungen leiden und häufig auf andere
Therapeutika ansprechen, auf die wissenschaftliche Arbeit aus Münster
zurückzuführen.
Nach dem Kompetenzzentrum für chronischen
Pruritus sollen am UKM im nächsten Schritt auch weitere Bereiche von der
Entwicklung der App profitieren; neben der Onkologie und Orthopädie ist
eine Einführung in der Psychosomatik angedacht.
Pressemitteilung von: Universitätsklinikum Münster